Weblogs Kitchen


...ein humorvoller Blick
in die Küche der Webköche

21.01.06

Er muss sich noch einpendeln...

... sagt Rüdiger Odenbach, Head of Sales bei Sony Ericsson. Mit "er" meint er den Online-Handel. Als erstes betont Herr Odenbach, dass man darauf achten müsse, dass sich die Absatzkanäle nicht kannibalisieren. Das soll wohl bedeuten, dass man Online so machen muss, dass man Offline ja nicht weniger verkauft.

NUN WIRD MIR EINIGES KLAR!

Ich dachte bisher, dass die schlechte Usability der Sony-Sites einfach nur die Ignoranz gegenüber den einfachsten Besucherbedürfnissen widerspiegelt. Jetzt lese ich in der aktuellen Ausgabe von "Internethandel 23/24", dass dies Absicht ist?! Clever gemacht.

Wer also Angst hat, dass Online zu gut laufen könnte, der kann sich hier eine dicke Scheibe abschneiden. Fehlende Webseiten, falsche Beschreibungen, fehlende Erklärungen, "Multibrand"-Fernbedienungen, französische Windowsversionen im deutschen Shop unterschieben, statt gesetzeskonform über das Rückgaberecht aufzuklären lieber mit einer "Sony-Rückgabenummer, sonst geht nix" Abschreckung betreiben, statt Datenblätter nur 404-er Fehlerseiten auswerfen, Akkulaufzeiten zwar von 2,4 auf 8 Stunden "verzweifachen" (O-Ton Sony), aber nicht verraten, für welches Notebook der Akku passt.... undundund. Die Liste ist lang und sorgt bei Vorträgen immer wieder für Tränen in den Augen der Zuhörer (kein Witz - am meisten wird am Ende gelacht, wenn man sieht, dass die Zeitschrift "Tomorrow" die Sony-Site als "best of internet" gekürt hat). Weil sie so multimedial ist. Was ein CMDZ5 (so groß wie eine Kreditkarte!) oder 4D (Discover what you are missing) bleibt aber dann der Selbsterkundungsfähigkeit des Besuchers überlasssen. Aber bunt ist es schon. Und flashig. Wie richtige Farbfernsehwerbung. Wenn man dann noch sieht, dass "service" als Navigationspunkt klein geschrieben wurde, mag man an einen Zufall gar nicht mehr glauben.

Werfen wir nochmal einen Blick zu Rüdiger Odenbach: "Datenschutz und sichere Übertragung sind weitere Punkte, die häufig als Hemmschwelle gesehen werden". Genau richtig! Das sind Punkte, die von den Herstellern bzw. Shopbetreibern immer wieder dafür herhalten müssen, dass die Konversionsrate (als Verhältnis Besucher zu Käufern) so erstaunlich niedrig ist.

Man stelle sich vor: Der vermeintliche Kunde macht seinen Einkaufskorb voll, geht zur virtuellen Kasse und liest dann die Datenschutzbestimmungen. Dort muss dann wohl stehen "wir verhökern Ihre intimsten Einkaufsdaten!", damit das Angstszenario Fleisch wird und der Mausfinger jetzt auf "Browser-schließen" klickt. Unwahrscheinlich? Na, dann muss es wohl die fehlende "sichere Übertragung" sein. Der potentielle Käufer sucht also nach dem "Vorhängeschloß-Symbol" in der Browserzeile (wo ist das Teil bei Firefox eigentlich?) oder achtet streng auf das zusätzliche "s" in der Browser-Adresszeile. Fehlt sie, bricht er -outch- sofort ab. Glaubt Ihr diesen Unsinn wirklich, liebe Hersteller? Glaubt Ihr allen Ernstes, der normale (!) Besucher kann diese Unterscheidung treffen und weiß überhaupt, dass es die Untscheidung in "unsicher" und "sicher" überhaupt gibt?

Wenn man im Usability-Labor sieht, welche Probleme sogar Akademiker alleine mit der "Aufsteigend/Absteigend sortieren" Funktion haben... Näää. "SSL"? Die Geeks wurden schon als Kinder bei dieser Abkürzung heiß - aber nur, weil sich dahinter im Pausenhof "sichtbare Slip-Linie" als Geheimcode verbarg...

Vielleicht sollte man Herrn Odenbach einfach mal dazu verdonnern, ein paar gar nicht so selten auftretende echte Probleme von Kunden auf den Sony-Webseiten lösen zu MÜSSEN. Normale Alltagsaufgaben wie einen Ansprechpartner zu finden oder einen Ersatzakku? Oder mit AMEX-Karte zu zahlen (wie es in den AGBs steht, aber auf der Webseite nicht machbar ist)? Vielleicht ergänzt er seine Liste potentieller Hemmnisse für den Onlinehandel dann um das der einfachen Benutzbarkeit und Verständlichkeit von Webseiten. Der "Usability". Vielleicht das grundlegendste Hemmnis bei Sony? Nein. Nicht vielleicht - bestimmt sogar!

Es grinst,
Mario Fischer

Nachtrag: Die PR-Managerin von Sony-Ericsson hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Sony-Ericsson eigene, vom Sony-Mutterkonzern unabhängige Webseiten betreibt (Rüdiger Odenbach gehört zu Sony-Ericsson). Das ist richtig. Und der Ehrenrettung halber sei gesagt, dass man dort sehr viel leichter Produkte bzw. Informationen dazu findet, als bei Sony selbst. Gut für Sony-Ericsson, aber noch immer schlecht für Sony. Vielleicht sollte man sich dort mal näher ansehen, was die eigenen Töchter besser machen...

Geschrieben in Weblogs Kitchen um 09:43 | Kategorie: Web-Usability