Weblogs Kitchen


...ein humorvoller Blick
in die Küche der Webköche

27.08.04

Wochenende or not - Machen Entwickler keine Pausen?

Gerade meldet Spiegel Online: Handy-Verkaufsstopp: Siemens blamiert sich mit Pannen-Modell [Link dahin]. Da fällt mir mein jahreslanges Kopfschütteln über das Ignorieren einfachsten Benutzerverhaltens der Entwickler wieder ein.

Handy, Videorekorder, eMail-Benachrichtigungen und andere eigentlich nützliche Dinge verhalten sich wochentumb. Sie (genauer natürlich deren Entwickler) ignorieren die basale Tatsache, dass "unter der Woche" eben nicht gleich "am Wochenende" ist. Natürlich tun sie auch so, als ob sie keine Tageszeiten kennen würden. Wer käme denn nachts um 3.10 Uhr auf die völlig verblödete Idee mich anzurufen, um mir mitzuteilen, dass ein Akku leer wird? Richtig: Mein völlig verblödetes Handy! Pieeeep, Pieeeeep, Pieeeeep!!! Also aufstehen, runter in die Küche und das Teil mit dem Fleischklopfer abschalten. Natürlich bin ich ebenso glücklich, wenn mich mein Handy am So. in aller Frühe (zu einer Zeit in der ich freilich an Werktagen schon im Auto sitze) darauf aufmerksam macht, dass jemand (ausgerechnet diesmal am So) Geburtstag hat. Mein Handy weiß das dummerweise von meinem Outlook, mit dem es eine sonst fruchtbare Datenehe eingegangen ist. Unter der Woche nützlich, weil "Pieeep - Termin!" mein löchriges Gedächtnis unterstützt. Leider unterscheidet Outlook nicht zwischen Geburtstagserinnerungen und Terminen (genauso benutzerfremd!) und daher mahnen die Handys montags wie sonntags immer gleich...

Als moderner Mensch hab ich vor kurzem dem Ablegen meines treuen Videorekorders ein bischen nachgeholfen, in dem ich ihn bei einem angekündigtem Stromausfall nicht vom Netz gezogen haben. Als die Stromgesellschaft wieder Saft auf die ganze Straße gab, erlitt er wohl einen Chipinfarkt. Nun war endlich der Weg frei für einen digitalen Sat-Receiver mit Festplatte. Hochpraktisch, weil man zeitversetzt und mit "Pause" TV glotzen kann und hochnützlich, weil man durch die große "Videocassette", die ja nun eine Festplatte ist, volle 40 Std. ohne "Wechsel" aufnehmen kann. Wer mich nun für einen TV-Junkie hält, dem sei entgegen gehalten, dass dies wirklich recht nützlich ist. Man kann nun präventiv z. B. täglich Nachrichten, Galileo, die Sendung mit der Maus oder auch die Bill Cosby Show aufzeichnen. Bei Bedarf ansehen oder auf Knopfdruck eben wieder löschen. Soweit so gut. Die Programmierung ist einfach und ich glaube fast (aber nur fast), das würde auch meine Mutter noch hinbekommen. Wir nehmen also täglich z. B. Galileo auf (da sieht man, wie Schokoriegel gemacht werden oder wie die Zahnpaste mit den Streifen in die Tube kommt!). Sendung in der Liste am Bildschirm markieren, aufnehmen drücken, fertig. Halt! Galieo kommt ja täglich (fast) und wir müssen (madre mia!) das Menü wechseln, 5 Tastendrücke weiter können wir nun einstellen "einmalig" (voreingestellt, sinnvoll), "wöchentlich" (auch sinnvoll) und "täglich" (dämlich). Warum letzters dämlich ist? Weil es fast keine einzige Sendung gibt, die täglich an Werktagen UND am Wochenende kommt (oder zur gleichen Zeit). Sie ahnen es schon. Der neue, moderne letzte Schrei (sprich: digitaler Festplattenrecorder) zeichnet am Sa. und So. wieder tumb zur angegeben Zeit statt Galileo -weil das ja nur wochentags kommt- irgendeinen Mist auf.... Gut, nach einigen Menüpunkten ist das mit Löschen (nach Eingabe eines nicht abschaltbaren "Sicherheitscodes"...) wieder behoben. Lästig ist es alllemal. Und es macht nachdenklich, warum die Entwickler nicht von Ihren Chefs gezwungen werden, entwickelte Produkte selber mal im Alltag zu testen. Oder warum zwingt man die Chefs nicht (vielleicht gesetzlich? - nein nur Spaß) dazu?

Mein alter Sony-Videorekorder kannte die Unterscheidung "Mo-Fr" und "Mo-So" und auch "Sa-So" sogar auf der Fernbedienung (ein Mörderteil übrigens). Warum nicht auch der Festplattenrecoder? Auch hier bringt ein offenes Auge schnell eine plausibel klingende Antwort: Die Hersteller der Festplattenrecorder kommen fast alle aus dem Sat-Reciever Bereich und die klassischen Videorecorderhersteller haben den Trend wieder mal verschlafen (oder wollten sich nicht selber "kanibalisieren"). Die "Newcomer" müssen sich die Erfahrungen über das im Verhalten unbekannte Tier "Benutzer" wohl erst noch verschaffen. Auf dessen Kosten natürlich. Damit sind wir gemeint ;-)

Fazit: Im "offline"-Leben sind selbst High-Tech Produkte zum Teil noch weit weg von dem, was eine gute Integration in den wirklichen Alltag der Käufer bedeuten würde. Noch immer überlegen Ingenieuere, was man alles einbauen könnte, statt Benutzer zu beobachten, ernsthaft zu befragen oder einfach mal mit dem Nicht-Entwickler-Auge auf die Usability (Benutzungstauglichkeit) zu sehen. Letzteres ist wohl das am schwersten zu bewerkstelligende.

Die gute Nachricht für die Unternehmen ist: Es funktioniert noch immer! Wir kaufen alle die schönen Dinge und stellen erst DANACH fest, dass sie das nicht oder schlecht erfüllen, was wir eigentlich wollten. Und: Wir haben keine Alternativen! Fast alle Produkte sind gleich benutzer(un)freundlich. "Tester" in Fachzeitschriften helfen uns bei DEM Problem auch nicht. Sie testen Stromspannungsabstandswerte, Klirrfaktoren und aus welchem Stock man ein Gerät werden kann, bevor es hinüber ist (wirklich war - das heißt "Falltest"). Ob man es im Alltag bedienen kann...? Fehlanzeige. Darauf folgt: Negative Wirkungen schlechter Bedienbarkeit? Fehlanzeige. Das Geld ist schon beim Händler am Konto und der gibt einen Teil an den Hersteller weiter...

Und so wird es wohl noch einige Zeit bleiben. Schade eigentlich.

Geschrieben in Weblogs Kitchen um 12:05 | Kategorie: Tipps und Hinweise